Warum verschwinden Wörter und inwiefern ist das menschliche Gesicht die „unterhaltendste Fläche auf der Erde“?

Mit diesen und weiteren Fragen haben sich Alia Sautbaeva, Ella Diste und Jelka Liebner (jetzt Q2) im vergangenen Schuljahr im Rahmen des Essaywettbewerbs NRW der Berkenkamp-Stiftung auseinandergesetzt. Dabei sind drei fesselnde und einzigartige Gedankenexperimente entstanden, die die Leser:innen durch ihre sprachlich hervorragende Ausgestaltung, inhaltlich persönliche Bedeutung und strukturell einer Gedankenreise gleichenden Ausführung in ihren Bann ziehen.

So nimmt Alia Sautbaeva (Q2) die Leserschaft über die Rahmenhandlung ihres Textes mit in ein Museum, in dem wir uns das Gemälde „Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“ ansehen. Darüber tauchen wir in eine bunte Gedankenwelt ein, in der wir über die Bedeutung des menschlichen Gesichts in seiner Funktion als Informationsquelle für Gefühle, Stimmungen und Sympathien nachdenken. Hier wird unterstrichen, wie ein Gesicht nicht nur ein Mittel zur nonverbalen Konversation, sondern auch ein persönlicher Bezugspunkt für die Beziehung zu unserem Gegenüber sein kann: So wird eine Fläche, für die wir uns interessieren, die wir lieben oder die wir einfach nur betrachten möchten, zur Brücke zu dem Menschen, der diese trägt.

Jelka Liebner (Q2) geht in ihrem Essay der Frage nach, warum Wörter verschwinden. Ihr Text stellt heraus, dass eine Welt, die sich im Wandel befindet, auch den Wandel unserer Sprache provoziert. So gibt es Wörter, die zu der Zeit Goethes in aller Munde waren, heute jedoch nachgeschlagen werden müssen. Auch die damit zusammenhängende Bedeutung der Medien beleuchtet Jelka in ihrem Text. Doch wie kann von einem „Verschwinden“ der Wörter die Rede sein, wenn doch die Literatur diese für die Ewigkeit festschreibt? Um auch dieser Frage auf den Grund zu gehen, überdenkt Jelka außerdem die Entwicklung von Dialekten und geht dabei auf ihre eigene Familiengeschichte ein.

Ella Diste (Q2) gehört mit ihrem Text über das menschliche Gesicht zu den diesjährigen Gewinner:innen des Essaywettbewerbs, weshalb sie an einem Literaturseminar in Marbach teilnehmen durfte. Um einen Eindruck von den Erfahrungen zu bekommen, die sie bei ihrer Seminarteilnahme gesammelt hat, berichtet Ella im Folgenden selbst:

„Die unterhaltendste Fläche auf der Erde für uns ist die vom menschlichen Gesicht“ (Georg Christoph Lichtenberg), ein Zitat, welches mich nun schon seit Anfang des Jahres begleitet.

Als mich meine Deutschlehrerin Frau Hadamczik vor etwa 10 Monaten darauf ansprach, ob ich nicht Lust hätte am Essaywettbewerb der Berkenkamp-Stiftung teilzunehmen, willigte ich zwar ein, erlaubte es mir jedoch nicht, große Hoffnungen zu hegen. Wider Erwarten zeichnete die Jury allerdings mein Essay zu oben genanntem Zitat als eines von 10 Gewinneressays aus und lud mich somit ein, das diesjährige Literaturseminar in Marbach am Neckar zu besuchen.

So kam es dazu, dass ich mich gleich am ersten Schultag nach den Herbstferien nicht auf den Weg zur Schule begab, sondern mitsamt meinem Koffer und viel Vorfreude in einen Zug Richtung Süden stieg.

Im Zug ergab sich dann auch die Möglichkeit, die anderen Preisträger:innen sowie Herrn Gels von der Bezirksregierung Münster und Herrn Dr. Derpmann, Vertreter der Berkenkampstiftung, die uns die nächsten 3 Tage begleiten würden, näher kennen zu lernen.

Im schönen Marbach angekommen, startete nach dem Bezug des Collegienhauses und einer kurzen Kaffeepause auch gleich das Programm. Der erste Punkt auf eben jenem war eine Führung durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach, welches unter anderem Original Handschriften von Kafka und anderen Berühmtheiten beherbergt. Die unterirdischen Gänge, gefüllt mit Büchern und Schriften, zogen uns alle in ihren Bann und sorgten für viel Gesprächsstoff beim Abendessen.

Der nächste Tag startete mit einem interaktiven Seminar zum Thema Stimm- und Leselehre. Wir bekamen Besuch von Ramon Schmid, der uns mithilfe von Resonanz- und Artikulationsübungen half, unsere Kraftstimme zu finden. Zudem lernten wir die Anwendung von Hoch- und Tiefschlüssen sowie schwebenden Kadenzen beim Lesen. Dies kam uns später sehr zu Gute, denn wir bekamen die Aufgabe, einen Abschnitt unseres Essays anhand eben jener Vorgehensweise vorzubereiten, welcher dann anschließend bei der Preisverleihung vorgetragen werden sollte.

Bevor es aber soweit war, besichtigten wir abermals das Archiv, dieses Mal jedoch mit dem Schwerpunkt Bilder und Objekte. Das Archiv beherbergt nämlich, abgesehen von geschriebener Literatur, auch Kunstobjekte, die mit dem Schrifttum in Verbindung stehen. So bekamen wir beispielsweise Gemälde von der Schillerfamilie, Büsten und Totenmasken zu Gesicht.

Der Höhepunkt des Tages war jedoch die bereits erwähnte Preisverleihung. Am Nachmittag versammelten sich alle im Kilian-Steiner-Saal, in dem Herr Gels zunächst eine kurze Laudatio zu jedem Essay hielt, und wir anschließend unseren Abschnitt vorlasen. Nachdem dann alle ihre Urkunde erhalten hatten, ließen wir den Tag glücklich, mit einem Glas Wein beim Italiener ausklingen.

Auch der letzte Tag war nicht weniger spannend als die vorherigen. Nach dem Frühstück begaben wir uns ins Literaturmuseum der Moderne, wo wir durch die Ausstellung „Abgedreht. Literatur auf der Leinwand“ geführt wurden. Diese beschäftigte sich mit der Frage, was passiert, wenn Geschichten vom einen ins andere Medium übertragen werden. So wurden zum Beispiel Filmausschnitte mitsamt der zugehörigen Textstelle im Buch und dessen Drehbuch ausgestellt.

Der letzte Punkt auf unserem Programm war eine Schreibwerkstatt mit dem Essayist und Lyriker José Oliver, der krankheitsbedingt leider nur digital zugeschaltet werden konnte. Er half uns dabei, unseren Schreibstil zu verfeinern, und gab uns wichtige Ratschläge zum Verfassen eines Essays. Er schaffte es nicht nur, uns bei unserer Themenwahl zu unterstützen, sondern inspirierte und motivierte uns auch, sodass am Ende des Seminars alle angeregt waren, ihre Gedanken auf Papier zu bringen.

Am nächsten Morgen stiegen wir alle mit neuer Inspiration wieder zurück in den Zug nach Köln, wo dann alle voneinander Abschied nahmen, jedoch mit dem Vorhaben, in Kontakt zu bleiben und unsere gemeinsame Leidenschaft für Literatur weiterhin zu pflegen.

Ella Diste und Susanne Hadamczik